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Alexander der Große: Die Entstehung eines Mythos

 Eine neue Ausstellung in der British Library erkundet die 2.000-jährige Geschichte des Geschichtenerzählens und der Mythenbildung rund um Alexander den Großen.

Alexander der Große ist auf der ganzen Welt als makedonischer König bekannt, der ein riesiges Reich eroberte. Der Schwerpunkt der neuesten Ausstellung der British Library liegt jedoch nicht auf den historischen Details von Alexanders Leben – über das relativ wenig Sicheres bekannt ist. Stattdessen, sagt Peter Toth, Kurator für antike und mittelalterliche Manuskripte, Alexander the Great: The Making of a Myth erkundet Alexanders Vermächtnis, präsentiert eine Vielzahl von Geschichten über seine vielen Aneignungen und regt die Besucher dazu an, über die Gründe für seine universelle Anziehungskraft nachzudenken „ihren eigenen Alexander erschaffen“ und so am sich ständig weiterentwickelnden Geschichtenerzählen über diesen antiken Helden teilhaben.



Mythische Anfänge

Im Fall von Alexander ist es oft schwierig, Fakten und Fiktionen zu unterscheiden, aber wir wissen, dass der zukünftige König 356 v. Chr. in Pella, der Hauptstadt von Makedonien, als Sohn von Philipp II. von Makedonien und seiner Frau Olympias geboren wurde. Aber auch dieses Ereignis wurde schnell von Mythologie umgeben. Die Version der Geschichte, die in Plutarchs Leben von Alexander (um 100 n. Chr.) erzählt wird, schlägt vor, dass Schlangen an Alexanders Empfängnis beteiligt waren – der Historiker erzählt, dass Schlangen angeblich im Bett von Königin Olympias gesehen wurden, was als Zeichen einer göttlichen Präsenz angesehen wurde – eine Geschichte, die in der Kunst und Literatur des Römischen Reiches beliebt war. 


Eine andere, kompliziertere Version der Geschichte zeigt Nectanebo II, den König von Ägypten, der seine magischen Kräfte einsetzt, um sich stattdessen einen Weg in das Bett von Olympias zu bahnen. Diese letztere Geschichte ist diejenige, die in dem s.g. Alexander-Roman erzählt wird – ein populärer Bericht über Alexanders Leben, der ursprünglich aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. stammt, aber im Laufe der Zeit von vielen verschiedenen Kulturen übernommen und umgeschrieben wurde – und daher vielleicht die bekannteste der Geschichten rund um Alexanders Geburt ist.

Alexanders Abenteuer

336 v. Chr. wurde Philipp II. von Makedonien ermordet und der 20-jähriger Alexander bestieg den Thron. In nur wenigen Jahren hatte er seine Macht in Makedonien und Griechenland gefestigt und eroberte weitere Länder, wodurch er ein riesiges Reich schuf, das sich schließlich vom modernen Bulgarien bis nach Ägypten, über Mesopotamien bis zum Indus und darüber hinaus erstreckte. Viele der Völker, die Alexander eroberte, entwickelten ihre eigenen Geschichten über ihn, von denen die meisten – vielleicht überraschend angesichts der Gewalt, die zweifellos mit der Bildung eines solchen Reiches verbunden war – ihn in einem ziemlich positiven Licht darstellen.


Alexander the Great - the making of a myth

Zu den berühmtesten Konflikten Alexanders gehörte sein Krieg mit Darius III., dem „Großkönig“ von Persien. Alexanders Eroberung Persiens dauerte vier Jahre und gipfelte in einer Niederlage von Darius in der Schlacht von Gaugamela im Jahr 331 v. Chr., und die beiden Könige wurden oft in einem Zustand der Konfrontation dargestellt. 

Die persische mündliche Überlieferung und spätere schriftliche Quellen wie Firdawsis nationales Epos Shahname (Buch der Könige) erfanden jedoch einen neuen Ursprung für Alexander, um diesen Sieg zu rationalisieren. Sie bieten noch eine andere Version von Alexanders Geburtsgeschichte an, eine, die „Iskandar“ (wie er in der islamischen Welt genannt wurde) als Darius’ Halbbruder darstellt und ihn somit zu einem legitimen Erben des persischen Throns macht. 

Ein ähnliches Phänomen ereignete sich in Ägypten, wo Alexander ebenfalls im Jahr 331 v. Chr. nach einem Besuch des Tempels von Ammon in der Oase Siwa zum Pharao gekrönt wurde. Dort erklärte ihn das Orakel zum Sohn des Gottes Ammon und damit zum rechtmäßigen Herrscher Ägyptens. Alexanders mythologische ägyptische Abstammung findet sich in der Legende in dem Alexander-Roman wieder, in der Nectanebo sein wahrer Vater ist. 

Viele andere Kulturen und Religionen präsentieren ebenfalls ihre eigene Version von Alexanders Geschichte. Im jüdischen Mythos wird er als reisend beschrieben, um im Tempel von Jerusalem Opfer darzubringen, den Hohepriester zu verehren und – in einigen späteren Texten – sogar selbst zum Judentum zu konvertieren; im äthiopischen Christentum ist Alexander ein Prophet, der die Geburt Jesu voraussagt; während Alexander im Koran ein wahrer Muslim und wichtiger spiritueller Führer wird.


Im Laufe der Jahrhunderte entstand aus Alexanders Leben eine ganze Fülle von Mythologien mit unzähligen Gemälden, Wandteppichen und illuminierten Manuskripten, die seine legendären Abenteuer darstellen: Reisen in ferne Länder, Begegnungen mit mythischen Tieren und fantastischen Menschen und das Vollbringen von damals unmöglichen Leistungen, wie z B. in einer Taucherglocke auf den Grund des Ozeans hinabtauchen oder in einer Kiste (von Greifen getragen) durch den Himmel geflogen werden.

Alexanders militärische Heldentaten machten ihn auch zu einer Quelle der Bewunderung für spätere Führer. Julius Cäsar (100-44 v. Chr.) soll sich in seinen frühen Dreißigern selbst dafür beschimpft
haben, dass er nicht an den „brillanten Erfolg“ herankam, den Alexander im gleichen Alter erzielte. Jahrhunderte später scheint Napoleon Bonaparte (1769-1821) ähnlich gesinnt zu sein, denn auf die Frage, ob er Alexander oder Julius Cäsar für den besseren Feldherrn hielt, soll er Alexander an erster Stelle gesetzt haben.

Nach Alexander

Alexander starb 323 v. Chr. im Alter von nur 32 Jahren in Babylon. Sein früher Tod führte unweigerlich zu Gerüchten, von denen das am weitesten verbreitete war, dass er durch Gift getötet worden sei. Es wird jedoch allgemein angenommen, dass sein vorzeitiger Tod das Ergebnis von etwas Alltäglicherem war; wahrscheinlich eine der durch Wasser übertragenen Krankheiten, die im sumpfigen Tigris-Gebiet gefunden wurden, vielleicht beschleunigt durch ein Immunsystem, das durch anhaltenden Kummer geschwächt war, der auf den Tod seines geliebten Begleiters Hephaestion im Vorjahr zurückzuführen war. 

Alexanders Tod stürzte sein Reich ins Chaos und führte schließlich zu seinem Zerfall, aber seine Eroberungen hatten dennoch eine lang anhaltende Wirkung, indem sie traditionelle Grenzen niederrissen und eine Vermischung der Kulturen bewirkten, die maßgeblich zur Entwicklung späterer Reiche und sogar der Welt als wir wissen es heute.

Alexanders bedeutendstes Vermächtnis war jedoch zweifellos sein Einfluss auf Kunst und Kultur. Alexander der Große: Die Entstehung eines Mythos umfasst eine breite Palette von Objekten, darunter die größte Auswahl an Kopien und Versionen des Alexander-Roman, die jemals zusammengetragen wurde – und bietet einen unvergleichlichen Einblick in die Entwicklung von Alexanders Geschichte in den letzten zwei Jahrtausenden – sowie Klassische Skulpturen, eine Oper aus dem 18. Jahrhundert und sogar eine Graphic Novel einer zeitgenössischen malaysischen Künstlerin, Reimena Yee, die noch zur Veröffentlichung vorbereitet wird. 

Diese Stücke spiegeln die vielen Möglichkeiten wider, in denen Alexanders Abenteuer kulturelle Phänomene auf der ganzen Welt inspiriert haben – und weiterhin inspirieren.

Die Ausstellung ist bis zum 23. Februar 2023 geöffnet!