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Hobsbawm: Die Griechen sahen die Makedonier nicht als Griechen an

Aus unserem Archiv zwei kurze Zitate des Historikers Hobsbawm. Die zwei Passagen wurden aus dem Artikel "Die Erfindung der Vergangenheit" entnommen, welche das Deutsche Medium  Die Zeit am 09.09.1994 veröffentlichte.

Die Angaben zur Literatur, aus welchen der Autor zitierte, findet Ihr am Ende des Beitrags.

Hobsbawm prangert dabei die Haltung Athens gegenüber Mazedonien an, und driftet kurz in die Antike ab:

"Der ideologische Missbrauch von Geschichte wird häufiger mit Anachronismen [falsche zeitliche Einordnung von Vorstellungen oder Fakten] als mit Lügen getrieben. Der griechische Nationalismus verweigert der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien sogar das Recht, diesen Namen zu führen, weil angeblich ganz Mazedonien griechisch und Teil eines griechischen Nationalstaats ist, angeblich schon seit der Zeit, als der Vater von Alexander dem Großen, König von Makedonien, Herrscher über das gesamte griechische Gebiet auf der Balkanhalbinsel wurde."


"Wie alles, was mit Mazedonien zusammenhängt, ist auch das keine rein akademische Frage, aber ein griechischer Intellektueller muss schon sehr viel Mut aufbringen, wenn er sagen will, dass das in historischer Hinsicht der schiere Blödsinn ist. Im vierten vorchristlichen Jahrhundert gab es weder einen griechischen Nationalstaat noch sonst eine politische Einheit für die Griechen; das makedonische Reich hatte nichts mit dem griechischem Nationalstaat zu tun, und außerdem ist es ziemlich sicher, dass die alten Griechen die makedonischen Herrscher ebenso wie später die römischen als Barbaren und nicht als Griechen ansahen, obwohl sie bestimmt zu höflich und vorsichtig waren, um das offen auszusprechen."



Eric Hobsbawm


Eric John Ernest Hobsbawm (geboren am 9. Juni 1917 in Alexandria, Sultanat Ägypten; gestorben am 1. Oktober 2012 in London) war ein marxistisch orientierter britischer Universalhistoriker mit sozial- und wirtschaftshistorischen Schwerpunkten.

Weltweit bekannt wurde er mit seinem dreibändigen Werk zur Geschichte des „langen 19. Jahrhunderts“ und dem Ergänzungsband zum „kurzen 20. Jahrhundert“ sowie mit Überlegungen zu erfundener Tradition und Studien über die Arbeiterbewegung. Kritiker werfen ihm vor, er habe sich zu spät und zu wenig vom Stalinismus distanziert.

Eric Hobsbawm entstammte einem jüdischen Elternhaus. Er war Sohn des britischen Kolonialbeamten Percy Hobsbaum und der Wiener Kaufmannstochter Nelly Grün. Die Großeltern, David und Rose Obstbaum, geboren in den 1840er Jahren, waren aus Warschau nach England eingewandert, wobei der Familienname mit H als Hobsbaum niedergeschrieben wurde.

Die Hochzeit der Eltern fand, da das Paar im Ersten Weltkrieg gegnerischen Kriegsparteien angehörte, im britischen Konsulat in Zürich statt, mit Genehmigung des britischen Außenministers Sir Edward Grey. Da das Ehepaar in keinem der kriegführenden Länder leben konnte, reisten die Hobsbaums nach Alexandria, wo sie sich 1913 kennengelernt hatten.

Nach dem frühen Tod seines Vaters nach einem Herzinfarkt 1929 und seiner Mutter an Tuberkulose 1931 zog er mit seiner jüngeren Schwester Nancy für zwei Jahre zu einem Onkel nach Berlin. Diese zwei Jahre beschreibt er als den entscheidenden Abschnitt in seinem Leben.

Er wurde als Schüler des Schöneberger Prinz-Heinrich-Gymnasiums Mitglied des Sozialistischen Schülerbundes, einer Unterorganisation der KPD, und war an der Zeitschrift Schulkampf beteiligt. Er begann, Marx zu lesen und wurde Kommunist. Ein einprägsamer Moment dieser Zeit war, als er 1933 auf dem Heimweg von der Schule am Bahnhof Berlin-Halensee in einer Zeitung die Schlagzeile von der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler sah.

Ab 1947 war Hobsbawm an der Universität tätig, jedoch aufgrund seiner marxistischen Orientierung insbesondere anfangs Widerständen ausgesetzt. Von 1971 bis zur Emeritierung 1982 hatte er an der Universität London eine Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte inne. Zahlreiche Gastprofessuren führten ihn unter anderem an die Stanford University, an das Massachusetts Institute of Technology und an die Nationale Autonome Universität von Mexiko. Ab 1984 war er Inhaber des Lehrstuhls für Politik und Gesellschaft an der New School for Social Research in New York.

Ab den 1980er und insbesondere 1990er Jahren wurde Hobsbawm als Historiker breite Anerkennung von Politik und Wissenschaft zuteil. Tony Blair erhob ihn schließlich 1998 zum Companion of Honour, viele weitere Ehrentitel folgten. In dieser Zeit veröffentlichte Hobsbawm unter anderem Uncommon People (1998) und seine Autobiographie Interesting Times (2002). 2007 wurde das Buch Globalisation, Democracy and Terrorism veröffentlicht. Sein letztes veröffentlichtes Werk war ein 2011 erschienener Sammelband mit Essays, in dem die Relevanz der Marxschen Theorie betont wird (How to Change the World: Tales of Marx and Marxism).

Durch einen Sturz im Jahr 2010 wurde seine Mobilität erheblich eingeschränkt. Eric Hobsbawm starb am 1. Oktober 2012 im Londoner Royal Free Hospital an einer Lungenentzündung.


Literatur: 
  • Nationen und Nationalismus: Mythos und Realität seit 1780, Eric J. Hobsbawm, Udo Rennert, Campus Verlag, 2005 - Deutsch
  • Nations and Nationalism since 1780: Programme, Myth, Reality, E. J. Hobsbawm, Birkbeck College, University of London, Cambridge University Press, 1992 - Englisch
QUELLE: Makedonien.mk