Alexander der Große soll laut antike Geschichtsschreiber eine Begegnung mit der letzen namentlich bekannten Königin der Amazonen gehabt haben, sie hieß Thalestris.
Allerdings halten Moderne Forscher sie nicht für eine geschichtliche, sondern für eine Fiktive (erfundene) Person.
Als Alexander nach Hyrcania zurückkehrte, kam zu ihm die Königin der Amazonen mit Namen Thallestris, die das Land beherrschte zwischen den Flüssen Phasis und Thermodon. Sie war erstaunlich in ihrer Schönheit und Körperkraft und wegen ihrer Tapferkeit von ihren Landsmänninnen bewundert. Sie hatte ihre Hauptstreitmacht an der Grenze zu Hyrcania zurückgelassen und war mit einer Eskorte von 300 Amazonen in voller Ausrüstung erschienen.
(Anm.: Wenn wir glauben, dass Thallestris und ihre Amazonen existierten und von Alexander gehört hatten, ist es keine unüberwindbare Schwierigkeit anzunehmen, dass sie vom Thermodon am Schwarzen Meer durch die Täler der Flüsse Phasis und Cyrus und entlang des Kaspischen Meeres kamen. Sie hätten dann das zuvor unterworfene Gebiet der Mardi durchquert und hätten Alexander in Hyrcania erreicht.)
Er hatte sich in seinen Leistungen als hervorragender Mann erwiesen und sie war allen Frauen an Stärke und Mut überlegen, so dass anzunehmen war, dass die Frucht der Verbindung solch überragender Eltern alle Sterblichen an Größe übertreffen würde. Dies erfreute den König und er erfüllte ihren Wunsch und wohnte ihr bei dreizehn Tage. Danach ehrte er sie mit schönen Geschenken und sandte sie heim.
Leider stellte sich der erhoffte Erfolg dieser Begegnung nicht ein. Thallestris starb wenig später im Kampf gegen einen Nachbarstamm.
Diodors erhaltene Quelle sowie Curtius Rufus und der Auszug von Iustinus aus dem Geschichtswerk des Pompeius Trogus gehören zu den wichtigsten erhaltenen antiken Quellen für die angebliche Begegnung von Alexander III von Makedonien und Thalestris
Der wohl im 1. Jahrhundert n. Chr. lebende römische Geschichtsschreiber Quintus Curtius Rufus erwähnt in seiner Erzählung dieser Episode weitere Einzelheiten. So habe Thalestris beispielsweise Alexander gegenüber geäußert, dass sie ein Kind weiblichen Geschlechts behalten werde, ein männliches aber zu ihm schicken würde.
Der römische Historiker Iustinus, der im 2. oder 3. Jahrhundert lebte, liefert eine ähnliche Darstellung der Geschichte.
Alle drei Schreiber geben keine Auskunft über das weitere Leben der Amazonenkönigin. Im Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes im 3. Jahrhundert wird die Gestalt der Thalestris nicht erwähnt.
Fakt oder Fiktion?
Die Historizität von Thalestris war schon früher unter antiken Geschichtsschreibern umstritten. Um 100 n.Chr. führt der Biograph Plutarch 14 Autoren auf, welche die Thalestris-Geschichte erwähnten. Einige wie Kleitarchos oder Onesikritos schenkten ihr Glauben, neun Schreiber hielten die Affäre zwischen Alexander der Große und Thalestris für komplette Fiktion (darunter Aristobulos, Ptolemaios, Chares von Mytilene und Duris von Samos).
Viele Jahre nach der angeblichen Begegnung zwischen dem Makedonenkönig und Thalestris weilte der griechische Geschichtsschreiber Onesikritos bei Lysimachos, einem Teilnehmer des Alexanderzuges, der sich zum Zeitpunkt dieser vermeintlichen Episode in der Nähe Alexanders aufgehalten hatte. Als Onesikritos das Auftreten der Amazone aus dem vierten Buch seines Geschichtswerks vorlas, lächelte Lysimachos und fragte, wo denn er damals gewesen sei; also wusste er offenbar nichts von der Amazone.
Um 150 n. Chr. berichtet (der als sehr zuverlässig geltende römische Geschichtsschreiber) Arrian zwar nichts über Thalestris, gibt aber an, dass der Makedonenkönig laut einigen Berichten erst sechs Jahre später 100 bewaffnete Reiterinnen, angeblich Amazonen, getroffen habe (also 324 v. Chr.). Diese seien ihm vom medischen Satrapen Atropates gesandt worden.
Alexander habe sie jedoch wieder fortgeschickt, um zu verhindern, dass die Soldaten ihnen Gewalt zufügten. Arrian betont, dass die für ihn glaubwürdigen Alexanderhistoriker wie Aristobulos und Ptolemaios diese Geschichte nicht erwähnten, und er bezweifelt, dass es überhaupt jemals eine solche Rasse kriegerischer Frauen gab.
Die moderne Wissenschaft hält die Thalestris-Episode ziemlich einstimmig für unhistorisch. Vielleicht lieferte die Tochter eines Skythenkönigs, die Alexander – laut dessen eigenem Brief an Antipater – zur Gattin angeboten worden war, die Inspiration zu dieser Amazonenlegende.
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