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Die ganze Rede vom Hellenismus ist eine problematische Rede!


Die heute übliche Subsumierung der makedonischen unter die griechische Geschichte, ja die ganze Rede vom Hellenismus ist durchaus eine problematische!

Die Einheit des griechischen Kulturraums versuchte noch einmal Hadrian mit der Gründung des Panhellenions zu unterstreichen, doch ist bezeichnend, dass hier bereits die Benennung als Hellenion allein nicht mehr genügte, um das Gemeinte zu bezeichnen (203). 

Das Panhellenion sollte erklärtermaßen eine Vereinigung aller Städte und Stämme von ganz Griechenland sein (204).
Dies schloss in jedem Fall die Makedonen aus: Wie wir aus einem inschriftlichen Dokument wissen, wurde der Polis Barke in Nord-afrika eine Stimme im Bundesrat abgesprochen, weil die griechische Abstammung der Bewohner durch makedonische Zusiedlung in hellenistischer Zeit gestört war (205).

Daraus wird deutlich, dass das Zugehörigkeitskriterium zum Hellás des Panhellenion ein ethnisches war, wenn hier auch breiter Raum für fiktive Abstammungslegenden bestand (206). 

Das war keine Neuerung: Schon Alexander I. Philhellen hatte den Zugang zu den Olympien nur unter Nachweis seiner Abstammung aus Argos gewährt bekommen (207), und die epeirotischen Athamanen behaupteten wenigstens am Ende des 3. Jh. v. Chr. ihr Griechentum, indem sie sich auf den Eponymen Hellen zurückführten (208).
Zum anderen aber wurde noch zu dieser Zeit der Unterschied zwischen Makedonen und Griechen offenbar hochgehalten: Insofern ist die heute übliche Subsumierung der makedonischen unter die griechische Geschichte, ja die ganze Rede vom Hellenismus eine durchaus problematische. Die Makedonen waren nach antiker Anschauung eben keine Griechen, und viele der Siedlungsbewegungen der hellenistischen Zeit konnten daher aus der Sicht des Panhellenions auch nicht als Ausbreitung des Griechentums verstanden werden.




Fussnoten: 

203) Zum Panhellenion vgl. Tod 1922, S. 173-180; Graindor 1934, S. 102-111; Oliver 1951; Larsen 1952; Oliver 1970, S. 92-138 (kommentierte Zusammenstellung der relevanten Inschriften); Spawforth u. a. 1985 und Spawforth u. a. 1986 (grundlegend); Willers 1990, S. 93-103; Marotta 1995; Willers 1996, S. 12-17; Jones 1996; Jones 1999; Spawforth 1999; Romeo 2002b; Romeo 2002a; das durch FD III,4,302, col. II,1-6 bezeugte gescheiterte Vorläuferprojekt einer Aufwertung der delphischen Amphiktyonie behandelt Cortés Copete 1999. Grundlegend zu den Kolonisationslegenden Strubbe 1984-1986, bes. S. 280-282 zum Panhellenion. 
204) SEG 47,163,6. Zu dieser Formulierung vgl. den Kommentar von Follet u. a. 1997, S. 301. 
205) Reynolds 1978 (= SEG 28,1566); dazu Jones 1996, S. 47-53. 
206) Spawforth u. a. 1986, S. 89-92; Spawforth 1999, S. 349-350; Romeo 2002a, S. 25-31; vgl. die Einzelstudien Nafissi 1995 (zu Synnada), Weiß 2000 (zu Eumeneia) und Lombardi 2003 (zu Kibyra). Die Beispiele können hier nicht im Einzelnen verfolgt werden, zumal die Diskussion des zugrundeliegenden epigraphischen Materials den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würde. 
207) S. Anm. 36. 208 RC 35,10-11.