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Kalenderblatt 16. März: UCK Terror in Tetovo

Aus dem Archiv ein Bericht aus Der Spiegel vom 16.03.2001. In dem Bericht geht es über die Vorfalle (beginnend) am 14. März 2001 in Tetovo.



MAZEDONIEN: Terror in Tetovo


Die UCK stürzt Tetovo ins Chaos. Mazedonier fliehen, Albaner trauen sich nicht mehr aus ihren Häusern. Die Angst steigt, dass die Kämpfe auf die Stadt übergreifen.

Im Waffengeschäft von Jonce Nikolovski in der mazedonischen Stadt Tetovo leeren sich Regale, in der Innenstadt leeren sich die Straßen. Seit die Rebellen der albanischen „Nationale Befreiungsarmee“ (UCK) die Burg Kale am Stadtrand besetzt haben und sich bis in die Nacht immer neue Gefechte mit Polizeitruppen liefern, brodelt es. In der Stadt zeigen sich Bewaffnete.

Die Rebellen, die von Politikern abwechselnd als „Extremisten“ oder „Terroristen“ bezeichnet werden, will als Verhandlungspartner für eine Aufteilung Mazedoniens in eine Konföderation anerkannt werden. Viele Albaner bleiben wie ihre mazedonischen Nachbarn besorgt in ihren Häusern. Oder sie flüchten. Immer mehr Mazedonier verlassen Tetovo mit vollgepackten Autos.

Waffenschmuggel


„Es gibt große Angst, dass sich die Kämpfe bis in die Stadt ziehen“, sagt Nikolovski, während nur ein paar Hundert Meter entfernt geschossen wird. „Jede zweite Familie schickt die Kinder weg“, sagt er. Die anderen warten vor dem Fernseher auf Entscheidungen der Regierung. Die Mazedonier, die in der Stadt deutlich in der Unterzahl sind, haben in ihrem Viertel eine eigene Miliz aufgestellt.

Albaner berichten, dass viel Kriegsgerät aus dem nahen Kosovo über die Grenze geschmuggelt wurde. Waffenhändler Nikolovski weiß zudem, dass es viel Schießgerät in den Häuser gibt. „Bis vor drei Monaten hat der alte Polizeichef fast jedem eine Erlaubnis ausgestellt, vor allem den albanischen Partei-Aktivisten“, sagt er. Die Praxis habe erst der neue Polizeichef Rauf Ramadani beendet.

„Keine Patrioten“


Der mazedonische Albaner Ramadani, ein früherer Jurist, personifiziert das Drama in dem kleinen Balkan-Staat. Seine Beamten - darunter Mazedonier und Albaner im Staatsdienst - kämpfen auf dem nahen Berg gegen albanische Rebellen, die die Regierungsbeteiligung der „Demokratischen Albaner-Partei“ (DPA) für gescheitert erklären. „Die Rebellen setzen alles auf Spiel. Die sind keine Patrioten“, sagt er.


Militärisch seien sie aber sehr erfahren, sagt Ramadani. „Wir sprechen hier über Spezialkräfte, die wissen, wie eine Guerilla kämpft“, sagte er. „Und es sieht so aus, dass sie bis zum Ende gehen wollen.“ Die UCK habe vier strategische Positionen auf dem Burg unter Kontrolle, die die mazedonischen Sicherheitskräfte nicht einnehmen könnten.

Polizisten werden zu Zielscheiben


Schon jetzt ist die Polizei selbst nicht sicher in Tetovo: „Wir können unsere Polizisten nicht in der Nacht auf die Straße schicken, weil sie dann zu Zielscheiben werden“, sagt Ramadani. Die Entwicklung in Tetovo könne auf ganz Westmazedonien übergreifen, warnte er. Die mazedonischen Regierung schickt Verstärkung und zusätzliches Gerät in die Region.

Die Rebellen haben offenbar noch nicht gemerkt, dass ihre Angriffe den Albanern auf dem Balkan das Vertrauen und die frühere, internationale Sympathie entzogen haben. Der UCK-Kommandeur „Sokoli“ sagte der Zeitung „Fakti“: „Die Welt versteht unseren Krieg. Wenn es nicht so wäre, würden sie uns Terroristen nennen, wie uns die mazedonische Regierung nennt.“

QUELLE: Der Spiegel 16.03.2001, von Carsten Hoffmann