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Hermann Wendel und seine Reise von Maribor bis Bitola - 1920

In den Spätsommerwochen des Jahres 1920 unternahm Hermann Wendel eine Reise von Maribor bis Bitola. Seine Erlebnisse hielt er in seinem Buch "Von Marburg bis Monastir. Eine südslawische reise" fest.


Auf seiner Reise durch den Balkan nach dem ersten Weltkrieg, besuchte Wendel in Mazedonien nicht nur Bitola, welches damals Monastir genannt wurde. Unter anderem berichtet er in seinem Werk aus Skopje, Veles, Prilep, Ohrid, Struga, Debar, Gostivar und Tetovo. 

Hermann Wendel war ein deutscher Politiker, Historiker, Balkanforscher, Journalist und Schriftsteller. Er wurde am 8. März 1884 im lothringischen Metz als Sohn eines preußischen Beamten geboren, und starb am 3. Oktober 1936 in Saint-Cloud bei Paris.

Wendel war ein Anhänger der Arbeiterbewegung und ein Verfechter der deutsch-französischen Verständigung. Von 1910 bis 1918 war er Stadtverordneter in Frankfurt am Main und SPD-Reichstagsabgeordneter.

Während der Balkankriege weilte er als Korrespondent in Serbien, wo er die serbische Sprache und Kultur kennen lernte. 

Neben Schriften über die Arbeiterbewegung veröffentlichte Wendel zahlreiche historisch-politische und ethnografische Werke über Südslawen. Er zählt neben Gerhard Gesemann, Josef Matl und Alois Schmaus zu den bedeutenden Vertretern der deutschen Serbokroatistik.


Von Marburg bis Monastir. Eine südslawische reise


Alle Reisen der Welt existieren nur für den, der sie selbst macht; für andere bleibt nur das, was man durch armselige Worte geben kann. Mit diesem Zitat von Knud Rasmussen beginnt Hermann Wendel seinen Reisebericht durch den Balkan, ins Land der "Südslawen".


Von Spielfeld aus über Maribor (Marburg) geht die Reise los die bis Mazedonien andauern sollte. Laut seinen Worten bereist er den "jungen Staat im Südosten Europas" und in der Tat, der Staat war jung, zu dem auch Mazedonien gehörte, bzw, Neuserbien wie der langjährige Besatzer damals sagte. Dies wird auch aus Wendels Werk verdeutlicht.

Aber kurz zur Einführung:

Makedonien wurde 1913 nach der Vertreibung der Osmanen durch seine Nachbarn aufgeteilt. Bulgarien, Griechenland, Albanien und Serbien bekamen durch den Friedensvertrag von Bukarest am 10. August 1913 makedonische Territorien zugesprochen. Der nördliche Teil Makedoniens, auch Vardar-Makedonien, genannt wurde von den Serben besetzt un dem Königreich Serbien angegliedert.

Nach der Niederlage Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg vereinigte sich das Königreich Serbien am 1. Dezember 1918 mit dem in den südslawischen Gebieten Österreich-Ungarns entstandenen, kurzlebigen Staat der Slowenen, Kroaten und Serben zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, dem späteren Königreich Jugoslawien.

Wie ein aufmerksamer Leser erkennt, wird im dem Staatengebilde der Makedonier nicht erwähnt, mit der Tatsache das Serbien (als Besatzer) die Gebiete als Südserbien und die Bewohner als Südserben bezeichnete.


Wendels reise im Spätsommer 1920 war somit einundeinhalb Jahre nach dem Ersten Weltkrieg im Balkan  im nördlichen Makedonien unterwegs. "Südserbien" war bis dahin 7 Jahre unter serbischer Herrschaft, das Gebiet der heutigen Republik Mazedonien.


Name ist Schall und Rauch

Das Schild zeigt "Jordanovic" aber davor könnte es Jordanov oder nur Jordan gewesen sein. Mit dieser kurzen (folgenden) Textzeile von Wendel, wird die Unterdrückung welche die Makedonier unter abwechselnder Herrschaft erfahren mussten, deutlich. Aber dennoch, obwohl der Bulgare ihn in Jordanov unbenannt hat, der Türke in Jordan, der Serbe in Jordanovic, waren sich die Bewohner Makedoniens eines bewusst: Sie sind Makedonier, und keine Serben, Türken oder Bulgaren (und auch Griechen).

So lesen wir, bzw, wir zitieren von Seite 75, über das Zusammentreffen des Autors mit "Jordanovic" in Veles:


Am Schlupfloch seines Obstkrams ein Alter, fast ehrwürdig, zweifellos triefäugig; um keinen Preis verscheucht er die Fliegenlegionen von dem rötlichen Fleisch der vor Reife halbaufgeplatzten Feigen; das wacklige Schild zu seinen Häupten weist ihn als Herrn Jordanovic aus. Aber die Endung leuchtet neuer als die acht ersten Buchstaben. Was gilt die Wette? Unter den Türken hieß er einfach Jordan, verwandelte sich 1912 beflissen in einen serbischen Jordanovic, stand 1915 als bulgarischer Jordanov harmlos an seinem Schlupfloch und lebt seit zwei Jahren wieder seelenruhig als Jordanovic weiter; Name ist Schall und Rauch. 

Das Problem reizt. "Was bist Du, Serbe oder Bulgar?" 

Der Alte schielt mißtrauisch; krächzt: "Ein Makedonier!" 

Zwei Moslems, mit Fez, in ärmellosem, gesticktem Jäckchen, antworten; "Makedonier!" 

"Aber seid ihr nicht auch Serben?" 

"Jetzt gehören wir zum serbischen Staat; darum sind wir jetzt Serben." 

Cedomir schaut und hört, an seinen Wagen gelehnt, zu; er knurrt verächtlich: "keine zehn richtigen Serben" in dem ganzen Nest; lange genug hat er hier gelegen. 




Ich bin ein Serbe, aber das sind Makedonier!


Eine ähnliche, fast sogar gleiche, Situation in Prilep - allerdings mit einem völlig unterschiedlichem Hauptdarsteller. Zu einem ein Bub, Serbe, und somit, sagen wir, "Unabhängiger Zeuge". Denn er verrät uns wie er die Menschen aus seiner Umgebung, in dem Fall Buben, bezeichnet.

Wir zitieren aus Seite 83. Die Situation die Wendel beschreibt, ereignet sich im Zentrum von Prilep an einem Sonntag:


Sonntag ist; Prilep blinzelt durch halbgeschlossene Augenlider; die Werkstätten seiner berühmten Schmiede und Verzinner feiern; die hier gefertigten Aexte und Hacken sind bis Prizren und Skoplje begehrt. Auch die Kaufleute pfeifen heute auf ihren Ruf als besonders gerissene Geschäftemacher; sie halten ihren Kef ; aber von den leckeren Verdiensten des Handels mit dem beliebten Paprika oder mit Opium künden längs der Oraovacka Reka reiche Häuser in hochummauerten, grünen Gärten. Gefälliger bietet sich Prilep dar als das kaum kleinere Veles. 

Ein Pope, die Knie auf seinem Pferd angezogen, schunkelt über den Platz. Ein Hochzeitszug auf der Holzbrücke; Brautpaar, Paten und Gäste städtisch aufgemacht, aber halb beschämt, halb stolz trägt, wohl nach alter Sitte, ein Junge einen großmächtigen Kuchenfladen auf dem Kopf voran. 

Schreiten nun dort, festlich geschmückt und ihres Schmauses und Vergnügens sicher, Serben oder Bulgaren daher? Vernimm einen Serben, er beteuert das eine, wende dich an einen Bulgaren, er beschwört das andere; wenige Städte wurden im makedonischen Nationalitätenkampf so umstritten wie Prilep

An der Brücke spielende Buben; einer wird durch Fragen nicht in Verlegenheit gesetzt. 

"Ich bin ein Serbe, aber das", und er zeigt auf die andern, "sind Makedonier". 

"Woher bist du denn?" 

"Aus Nis!" 

"Sind die andern nun auch Serben?" 

"Ja sam stari Srbin i oni su novi Srbi" erwidert er pfiffig, "ich bin ein alter Serbe und sie sind neue Serben." 

So ganz überzeugt sehen allerdings die "neuen Serben" nicht aus




Was bist Du? Verständnislos scheues Aufschauen!


In Resen am Prespasee, trifft Wendel wieder auf Buben als er eine Kirche bewundern will, die ihm auffiel. Und diese Buben waren zuerst Verständnislos was der Fremde von ihnen wissen will. So lesen wir auf Seite 93:

Den bergab Gleitenden breitet eine Ebene, freundlich mit Mais und Tabak bebaut, die mütterlichen Arme entgegen. 



Cedomir steuert durch die grünen Gärten und weißen Häuser von Resen und hält zu Füßen einer kleinen Kirche mit seltsamem, offenem Glockenturm; sie lohnt das Anschauen, jawohl. 
Cedomir! 

Schwärme von Buben um den Wagen. 

"Na, was bist Du?" 

Verständnislos scheues Aufschauen. 

"Er ist ein Türke!" schreit der Chor. 

"So? Und ihr?" 

"Makedonier!" schießt es wie aus der Pistole. 



Literatur: Von Marburg bis Monastir. Eine südslawische reise von Wendel, Hermann

QUELLE: Makedonien.mk