Aus dem Tagebuch des Feldherrn Parmenion
Alexander der Große in der Oase Siwa
Mitte März 330
Seit Alexanders Rückkehr aus Siwa nur noch größere Verwirrung. Einander widersprechende Gerüchte über die geheimen Sprüche des dortigen Orakels. Doch in einem stimmen sie alle überein: die Priester von Siwa haben Alexander dort als „wahrhaftigen Sohn des Gottes Ammon" begrüßt. Der Makedone Philipp sei nicht sein Vater. - Das könnte diesen Ägyptern so passen! - Aber damit nicht genug, die Orakelmänner haben gefordert, alle Welt müsse dem Alexander göttliche Ehren erweisen! Das wäre so ungefähr das Letzte für einen Makedonen!
Alexander selbst schweigt. Aber er trägt ein höchst seltsames neues Betragen zur Schau. Sitzt meist träumerisch in sich versunken da, spricht man ihn an, so kommt sein Blick aus weiter Ferne, völlig fremd. Das wirkt derartig verwirrend, daß wir zunächst den alten kameradschaftlichen Ton ihm gegenüber nur mit Mühe wiederfinden.
Mein armer Hektor ist wie berauscht von der neuen Würde Alexanders. Gestern hielt er mir einen langen Vortrag über einen Lehrsatz des griechischen Philosophen Aristoteles, der Alexanders Lehrer war: „Der höchste Gott Zeus ist zwar der Vater aller Menschen, aber die, die übermenschliche Taten vollbringen, beweisen damit, daß sie in besonderer Weise Söhne Gottes, ja selbst Götter unter den Menschen sind." Von Philosophie verstehe ich zwar nichts, aber wo dies alles hinaus soll, das sehe ich nur allzu deutlich. Hüte dich, Alexander!
Aus: Otto Kampe: Alexander der Große, Göttingen o.D., S.51
Im Dezember 330 v. Chr. wird in Drangiana ein erfolgloser Mordanschlag auf Alexander verübt, in den der Gardekommandeur Philotas, der Sohn des Generals Parmenion, verwickelt ist. Das gesteht dieser unter Folter. Er wird hingerichtet, ebenso - ohne Verhör - Parmenion.
Massenhochzeit zu Susa 324 v.Chr.
Aus den Aufzeichnungen des Königs Ptolemaios
Ptolemaios, der einstige General Alexanders und spätere König von Ägypten, schrieb im Jahre 284 v. Chr..
So heiratete nun Alexander selbst nicht nur eine Tochter des letzten Perserkönigs Darius, sondern zugleich auch die Tochter einer anderen persischen Königsfamilie, die vor Darius geherrscht hatte. Eine zweite Tochter des Darius wurde mit Alexanders innigstem Freund Hephaistion vermählt. Die Kinder Alexanders und Hephaistions würden dann engste Verwandte sein. Auch seine übrigen Gefährten wünschte Alexander dadurch zu ehren, daß er sie am gleichen Tage mit anderen Fürstentöchtern des Reiches vermählte.
Fünf Tage lang folgte damals Fest auf Fest. Das Lager war voll Leben. Hier Sänger und Harfenspieler aus Griechenland, da Gaukler und Seiltänzer aus Indien, dort Magier und Kunstreiter aus den persischen Ländern, dann wieder hellenische Tänzerinnen, Flötenbläserinnen, Schauspielertrupps. Dieses prachtvolle Hochzeitsfest in Susa war in Alexanders Augen ein Höhepunkt seiner Politik. Es bewies vor aller Welt, daß er mehr wollte als fremde Reiche zertrümmern und Völker versklaven.
Seit dem Tode des Darius fühlte sich Alexander vielmehr als dessen Nachfolger in der Verantwortung für Asien. Die gleiche Aufmerksamkeit, die er im Kriege darauf verwandt hatte, die Schwächen seiner Feinde zu erspähen, richtete er nun darauf, ihre eigentümlichen Vorzüge zu entdecken und zu entfalten. Aber hierfür fand er nur wenig Verständnis bei seiner Umgebung.
Auch meine Erfahrungen als König von Ägypten haben mich gelehrt, daß man für Werke der Zerstörung leichter die Bewunderung und Unterstützung anderer findet als für aufbauende Pläne. Dies mag nach Menschenverachtung klingen. Aber es entspricht meiner Erfahrung.
Selbst in meiner eigenen Familie genieße ich zwar den Ruf eines guten Außenpolitikers, doch für den Fleiß und die peinliche Sorgfalt meiner Verwaltungsarbeit finde ich meist nur ein mitleidiges Achselzucken. Aber ich hatte 40 Jahre Zeit, mich mit dieser Tatsache abzufinden. Ich bin heute 80 Jahre, Alexander aber war 32, als ihn die Meuterei von Opis aus der Höhe der Begeisterung für seine Aufbaupläne herabstürzte.
Aus: Otto Kampe: Alexander der Große, Göttingen o.D., S.92
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